Motorische Entwicklung
Der Wald bietet den Kindern viele Herausforderungen: ein steil abfallender Hang, im Weg liegende Äste, der unebene Waldboden. Diese werden nicht von vornherein optimal bewältigt sondern nach ersten Erfahrungen, werden neue Möglichkeiten probiert und die alten entsprechend modifiziert. Auf diese Weise schulen die Kinder ihre motorischen Fähigkeiten ohne eine speziell dafür konstruierte Bewegungsstätte. Bewegungs- und Wahrnehmungserfahrungen, wie sie im Wald in vielfältiger Form möglich sind, bedeuten immer Körpererfahrung und somit auch Selbsterfahrung des Kindes. Kinder erleben, dass sie selbst etwas bewirken können. Das äußere Bauen von Hütten, Nestern etc. bewirkt immer gleichzeitig ein inneres Bauen der Kinder an ihrer Persönlichkeit.
Wahrnehmung mit allen Sinnen
Die Wahrnehmung durch Sehen, Hören, Tasten, Schmecken und Riechen ist grundlegend für Erkenntnis-, Gedächtnis- und Denkprozesse. Die Natur bietet eine Fülle von intensiven und nachhaltigen Sinneseindrücken. Durch die Vielfalt dieser Erfahrungen wird der Mensch beweglich an Körper und Geist. Jeder Stock hat eine andere Oberfläche, modriges Holz riecht anders als frisch geschlagenes, die Geräusche des Waldes, die Farbenpracht oder der kräftige Geschmack einer Brotzeit draußen im Wald. Diese Eindrücke prägen sich tief in das Gedächtnis des Kindes ein. Natur- und Sachwissen, z.B. über Tiere, Pflanzen, Wetter erfolgt aus erster Hand durch direktes Erleben und wirkliches Interesse.
Sozialverhalten und Gemeinschaftssinn
Gute Beziehungen, die durch Sympathie und gegenseitigen Respekt, Offenheit und Wertschätzung gekennzeichnet sind, sind die Basis für das soziale Lernen des Kindes. Die Vorbildfunktion der Pädagogen und der positive Kontakt zu jedem Kind sind hierbei von besonderer Bedeutung. In der Natur mit ihren Verstecken und Nischen, sind vielfältige Erlebnisse möglich, bei denen sich die Kinder gegenseitig helfen und so die Zusammengehörigkeit der Gruppe gestärkt und deutlich wird. Sie machen immer wieder die Erfahrung, dass die Umsetzung von manchen Ideen, wie z.B. schwere Baumstämme zu transportieren, nur gemeinsam bewältigt werden können. Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft nehmen zu, das Verständnis für andere Kinder wächst. Viele Initiativen der Kinder müssen untereinander und auch mit den Erziehern abgesprochen werden. Sie lernen ihre eigenen Interessen zu vertreten, die Meinungen der anderen gelten zu lassen, zuzuhören und Geduld zu entwickeln. Hier entstehen Kontakte und Kommunikation, werden Konflikte gelöst. Unter ihnen entstehen Freundschaften, die über lange Zeit gepflegt werden. Zusammenhalt ist entstanden, da man zusammen durch dick und dünn gegangen ist, die Jahreszeiten gemeinsam erlebt hat, im Winter enger zusammengerückt ist… Auch andere Kulturkreise sind immer wieder Gegenstand des Spieles, von Gesprächen oder Projekten.
Kreativität und Phantasie
Im Waldkindergarten gibt es kein, oder nur sehr wenig, vorgefertigtes Spielzeug. Das fördert Kreativität und Phantasie außerordentlich. Die Kinder sind selbst aktiv, machen sich Gedanken und beginnen den Tag zum Beispiel mit Rollenspielen. Dadurch entsteht Teamgeist, der Gemeinschaftssinn wird gefördert. Das „Spiel“ mit der Natur ohne vorgefertigte Materialien bietet den Kindern die Möglichkeit, die eigene Phantasie einzusetzen und zu entwickeln. Durch minimale Vorgabe im Material bleibt maximaler Raum für die Entwicklung eigenen Ausdrucks und eigener Bilder. Der Wald bietet uns unendlich viel Spiel und Gestaltungsmaterial. Ein Stock wird zum Hexenbesen, Zauberstab, Feenstab, Lanze, Schwert… Alles ist möglich. Alles kann sich jederzeit verändern. Alles kann erfunden werden.
Bei den Werken der Kinder geht es uns nicht um „schöne“ Werke, sondern um echte. Wenn also die Kinder ihre Werke bauen, malen, gestalten, erkennen wir alles was entsteht, als wichtigen Ausdruck ihrer selbst an und da es uns ein Anliegen ist, die Talente der Kinder herauszulocken, geht es nicht um das Kategorisieren und Bewerten ihrer Werke und Äußerungen.
Gesundheit
Der Aufenthalt an der frischen Luft bei Wind und Wetter, die kontinuierliche freie Bewegung in der Natur stärken den Körper sowohl äußerlich bei Muskelaufbau, Wendigkeit und Beweglichkeit als auch die Abwehrkräfte innerlich.
Selbstbewusstsein/Selbstwertgefühl
Kinder, die in ihrer Kindheit auf Bäume klettern konnten und gelernt haben, hinzufallen ohne sich zu verletzen, gewinnen Sicherheit und Selbstbewusstsein, was die Grundeinstellung zum Leben beeinflusst. Selbst gewählte Abenteuer oder Herausforderungen stärken das Selbstwertgefühl und schaffen ein stabiles Fundament um mit Belastungen und Stresssituationen besser umgehen zu können.
„Das brauche ich mir nicht zu merken, das habe ich selbst erlebt.“ Neugierde und Forscherdrang sind Kindern angeboren. Die eigenen Kräfte erproben, die Dinge bewegen, untersuchen, auseinander nehmen, nach dem Wie und Warum fragen…
Der Wald bietet einerseits viel Anregung für die kindliche Entwicklung, andererseits ist er weniger reiz-überflutet als die Alltagswelt und ist somit die beste Grundlage zur Entwicklung von Konzentration, Ausdauer und Stille.
Erleben von Stille und Ruhe
Im Wald kann eine Ruhe erfahren werden, wie sie die Kinder in ihrem Alltag häufig kaum noch erleben. In dieser Atmosphäre bemerken sie Dinge, die ihnen vorher nicht bewusst waren. Ein durch das Laub krabbelnder Käfer, das Plätschern des Baches oder das Rauschen der Blätter im Wind. Durch den Freiraum im Wald, entwickeln sich seltener Konflikte und Aggressionen. Es gibt weniger Streit, ein Kind mit größerem Ruhebedürfnis kann sich zurückziehen, während ein anderes gleichzeitig seinen Wunsch nach Bewegung ausleben kann. Gerade in unserer modernen, oft hektischen und ruhelosen Welt, hat das Erleben von Stille und Ruhe einen hohen Stellenwert.
Die Zeit bekommt eine andere Dimension: statt schneller Entwicklung sind langsam ablaufende Prozesse bestimmend. Der kontinuierliche Wandel, den die Natur im Laufe der Jahreszeiten vollzieht wird als etwas erfahrbar, das nicht beschleunigt werden kann und einem festen Ablauf folgt.
Entfaltungsmöglichkeit durch Freies Spiel
Bei der Umsetzung unserer Ziele und Aufgaben ist das freie Spiel unsere oberste Priorität. In dieser frühkindlichen Phase, bieten wir den Raum, die Erfahrung zu machen, der eigenen Energie folgen zu können. So geben wir wenig Programm vor und die Teilnahme der Kinder an den Angeboten ist freiwillig.
Das freie Spiel als Ausdrucksform hilft den Kindern ihre Erlebnisse aus dem Alltag zu verarbeiten, sich durch Rollenspiele „freizuspielen“, innere Konflikte und Spannungen zu lösen. Es ist die Art des Kindes, sich die Welt zu erobern. Individualität, das Ausfüllen und Einnehmen des eigenen Raumes und der Erwerb von sozialen Fähigkeiten, bedingen sich und bilden sich darin aus. Selbständigkeit, Selbstbewusstsein, ein ausgeprägtes Gefühl für den eigenen Körper und seine wachsende Koordinationsfähigkeit, werden spielerisch gefördert.
Die Kinder kennen keine Langeweile, da sie ihre eigene Kreativität und Phantasie ausleben können.
Fred Donaldson (hat sich ausführlich mit Spielforschung beschäftigt), bestätigt aus seiner langjährigen Erfahrung, dass alle Erkenntnis aus dem Spiel heraus entsteht, dass „dem Spiel der ganze Ernst des Lebens innewohnt… Die Essenz der Wissenschaft ist Spiel. Jedes Kunstwerk beginnt mit Spiel. Jede Erfindung beginnt mit Spiel. Je mehr Intelligenz, desto mehr Spiel. – Und umgekehrt.“ Für dieses Gefühl vom Im-Fluss-Sein, lassen wir respektvoll Raum.